Die bekannten Hamburger Originale hatten durchweg ein schweres Schiksal.
"Aale ... Aale" war sein Ausruf im Falsett, wenn er seine Ware anpries.
"Aale-Aale" hat sich nun wirklich in aller Stille verabschiedet.
Karl-Wilhelm Schreiber, wie er richtig hieß, starb am Freitag um 9.45 Uhr im Pflege- und Versorgungsheim Farmsen im Alter von 79 Jahren. Er gehörte zu den wenigen, denen es
vergönnt war, seinen "Nachrufen" zu entnehmen, wie die Nachwelt um ihn trauerte. Und wie alle vorzeitig Totgesagten hatte er ein langes Leben.
Die Nachricht von dem Tode und der überraschenden Entdeckung erreichte die Hamburger Morgenzeitungen in letzter Minute. Da Münch in Statur, Alter und Beruf dem "Aale-Aale" glich, der ebenfalls mit seinem stadtbekannten Falsettruf die beliebten Räucherfische anbot, kam es zu den Überschriften "Aale-Aale" eine Frau! "Aale-Aale" tot. Hamburg um ein Original ärmer!
Für Karl-Wilhelm Schreiber war diese Verwechslung eine Bombenreklame. Fotos und Interviews in allen Zeitungen! Dabei unterlief einigen in "Hamburgensien" unbewanderten Reportern ein neuer Fehler, indem sie "Aale-Aale" mit Aal-Weber verwechselten. Der hieß Johann Jürgen Weber und starb 1854 im 74. Lebensjahr im Armenhaus, wo übrigens im gleichen Jahr auch das bekannteste Hamburger Original, der Wasserträger "Hummel" die Augen geschlossen hatte.
Von der Nacht, in der ihn Hamburgs Morgenzeitungen für tot und zur Frau erklärt hatten, hat "Aale-Aale" immer wieder erzählt. Als erster klopfte ihm ein Wachtmeister der Davidwache auf die
Schulter und lachte: "Komm mal mit, meine Kollegen haben viel gesehen, aber noch keine wandelnde Leiche!" Die Gunstgewerblerinnen der Reeperbahn kicherten: "Aale-Aale', zeig uns mal, ob du
wirklich ein Mädchen bist!"
Auch sein junger Kumpel, der ihm in den letzten Jahren die Aalkörbe zutrug, hatte fest an den Tod seines Bauchladenchefs geglaubt. Mit Kondolenzblumen in der Hand und Trauer im Blick erschien er
als erster bei der platinblonden "Witwe" und schloss sein Beileid mit den Worten: "Ischa 'n Jammer, aber können wir das Geschäft nicht zusammen weitermachen?" ? Dann erst bemerkte er das
lautstarke Schnarchen des "Toten", dem in dieser denkwürdigen Nacht mancher belebende Köm' spendiert worden war.
Archiv Hamburger Abendblatt 31.10.1970
Sein nimmermüdes Mundwerk, sein Witz und vor allem seine Schlagfertigkeit, auf jede Situation, jeden Kunden, jeden Zuruf humorvoll, manchmal auch ganz schön kess zu reagieren, machten ihn rasch bekannt und beliebt. "Frech wie Oskar" geht auf ihn zurück, und sein Slogan "Eine Wucht in Tüten" ist heute noch geläufig.
1940 wurde der geschäftstüchtige Mann eingezogen. Als es nach dem Krieg so gut wie nichts zu verkaufen gab, eröffnete er in einer Nissenhütte im Stadtpark eine Kantine. 1951 wurde ihm bei dem Versuch, Streit unter Gästen zu schlichten, durch einen Handkantenschlag der Kehlkopf zertrümmert.
„Zitroon! Zitroon!“, das war der Ausruf, mit dem sie durch die Hamburger Straßen zog.
Aber nicht nur die Jugend jagte sie. Wenn die Zitronenjette abends in den Kneipen ihre Zitronen anbot, machten sich Kneipenbesucher einen Spaß daraus, ihr ein großes Glas Schnaps bringen zu lassen, das sie zur allgemeinen Belustigung auf einen Zug leerte. Die Folge war: Sie wurde alkoholkrank und trank nun auch schon am Tage eine Flasche Kümmelschnaps leer. Danach fand sie oft kaum noch den Heimweg. Ihr Getorkel bot den Kindern und Jugendlichen zusätzlichen Anlass, grölend hinter ihr herzulaufen. Häufiger kam es auch vor, dass die Polizei sie im betrunkenen Zustand aufgriff. Dann wurde sie unter großem Hallo auf eine Karre gelegt und zur Ausnüchterung zur Polizeiwache oder zum Kurhaus gefahren.
"Smutool, Smutool"
Sein bürlicher Name war Karl Weber und sein bürgerlicher Beruf war der eines Bürstenbinders. Aber nebenbei zog er sehr gut gekleidet, mit einem hellen Zylinder
auf dem Kopf durch Teile der Stadt und pries mit dem Ruf "Smutool, Smutool" die in seinem Korb befindlichen Räucheraale an. Obwohl er seine Ware stets reißend loswurde, starb er im
Jahre 1854 in einem Armenhaus.
"Hüls, Hüls, ok Pipen-rümers!"
Er wurde als Claus Timm als Sohn eines Arbeiters ge-boren. Neben Hummel war und ist er wohl das bekannteste Hamburger Original.
Timm hatte meistens keinen festen Wohnsitz, sondern schlief im Sommer im Freien und während der kalten Jahreszeit in Scheunen der Bauern. Er zog mit seiner Ware - Hülsenzweigen, den Zweigen
der Stechpalme und Binsenhalmen - auf dem Buckel durch Hamburg und das damals noch selbst-ständige Altona. Seine Zwei-ge wurden gerne gekauft, z.B. um Katzen oder Ratten fernzuhalten. Dazu wurden
sie in deren Durchschlupflöcher gelegt, die wegen ihrer spitzen Stacheln an den Blättern von den Tieren dann gemieden wurden.
Seinen Spottnamen Piepenreimers verdankte er seinen Pfeifenreinigern - Halme des blauen Pfeifengrases, die er in den Mooren pflückte und mit denen man die damals üblichen Tonpfeifen gut
reinigen konnte.
Um seine Ware an den Mann bzw. die Frau zu bringen, hörte man ihn mit seiner lauten Stimme schon von Ferne rufen: Hüls, Hüls, ok Pipenrümers!“ Timm verstarb im Alter von
75 Jahren in Bahrenfeld und wurde auf dem damaligen Ottensener Friedhof beerdigt.
Sein Name war Jakob Friedrich Kirchhoff.
Er handelte als Makler mit Leinen, was ihm zu einem gewissen Vermögen verhalf. Verheiratet war er nie.